Je mehr mit dem Aktien-Crash rechnen, desto weniger wird er kommen!

Statt Inflationsängsten wird jetzt das Gegenteil befürchtet. Neben dem „Trump-Defekt“ wirken vor allem die fallenden Ölpreise der Reflationierung entgegen. Ist jetzt also die Zeit für einen massiven Aktiencrash gekommen? Bereits zu früheren Zeiten haben schwache Öleinnahmen die Staatsfonds der Ölförderländer veranlasst, Aktien großvolumig zu verkaufen. Ohnehin sind diese hoch bewertet. Und sprechen nicht ebenso die Saisonalität und der im Vergleich überlange Haussezyklus für eine nachhaltige Aktientrendwende? Tatsächlich warten die Crashpropheten sehnsüchtig auf den Tag X.

Die fundamentalen Aktien-Bäume wachsen nicht in den Himmel

Seit Anfang 2016 hat die globale Konjunkturstabilisierung ihre Wirkung auf Aktien nicht verfehlt. So ist der Zusammenhang zwischen dem seit Anfang 2016 ansteigenden ökonomischen Überraschungs-Index für die Weltwirtschaft der Citigroup – er misst positive bzw. negative Abweichungen der tatsächlichen von den zuvor getroffenen Analysteneinschätzungen – und steigenden Aktienkursen eindeutig. Allerdings zeigt dieser Gleichlauf seit Ende März einen gravierenden Strukturbruch: Während der weltweite Aktienmarkt auf nahezu Allzeithoch verharrt, ist der Überraschungs-Index massiv vom positiven in negatives Terrain gefallen.

Hier ist zwar von Einschätzungsverfehlungen die Rede, die nicht mit Rezession gleichzusetzen sind. Dennoch ist ein fundamentales Handicap für Aktien gegeben. Die ausbleibenden Wirtschaftsimpulse der Trump-Administration und schwache Ölpreise, die in der Vergangenheit oft mit schwächerer Rohstoffnachfrage in Verbindung gebracht wurden, werden auch aktuell als Menetekel für eine schwächere Weltkonjunktur betrachtet.

Doch sollte sich der Konjunkturpessimismus in Grenzen halten. Auch wenn die großen Konjunkturhoffnungen in Amerika nicht erfüllt werden, wird die US-Regierung dennoch Konjunkturmaßnahmen ergreifen, um die US-Wirtschaft zumindest ansatzweise zu fördern. Die Angst vor dem politischen Machtverlust im Kongress an Demokraten im Herbst 2018 diszipliniert den aktuellen Streit in der republikanischen Partei.

Was Öl angeht, so hält sich die Nachfrage im Trend auf hohem Niveau. Insofern lässt sich aus dem Ölpreisverfall keine Wirtschaftsschwäche ableiten. Der Preisverfall ist hausgemacht durch die Indisziplin der Opec und ein Ölszenario, das das Förderkartell und Russland zu einem Dauerverlierer macht. Kürzt die Opec die Produktion, steigt zwar kurzfristig der Preis, doch damit auch die Rentabilität der alternativen Fördermethode. Und dann frackt Amerika, was der Schiefer hergibt, die Ölfördermenge steigt und der Ölpreis sinkt wieder. Insofern hat Öl kein nachhaltiges Aufwärtspotenzial.

Immerhin stärkt der schwache Ölpreis die Kaufkraft der Verbraucher und liefert insofern einen Wachstumsimpuls.

Grundsätzlich bleibt die fundamentale Konjunktursituation in der Eurozone stabil. So bewegt sich ihr Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe weiterhin sehr komfortabel im Expansion anzeigenden Bereich. Gleichermaßen positiv entwickelt sich das mit dem Einkaufsmanagerindex in engem Zusammenhang stehende Gewinnwachstum in der Eurozone.

Sehen so etwa die Zutaten für einen Aktiencrash aus?

Eine lockere Geldpolitik bleibt die Kernbotschaft für die Aktienmärkte

Durch einerseits Zinserhöhungen der US-Notenbank und andererseits wegen abflachendem Inflationsdruck sinkenden Anleiherenditen hat sich die Zinsstrukturkurve in den USA seit Ende 2016 deutlich abgeflacht. Es gilt: Je geringer die Steilheit der Zinsstrukturkurve, desto geringer ist der konjunkturelle Impuls.

Denn dann ist die Fristentransformation – Geld zu günstigen Zinsen ausleihen und zu höheren Renditen anlegen – geschwächt. Sollte die US-Notenbank die Zinsen trotz geringem Preisdruck dennoch weiter anheben, würde sie die Konjunktur überbelasten. Doch ist nicht zu erwarten, dass die Fed Deflationsrisiken weiter Vorschub leistet.

Damit geht den Aktienmärkten das Argument der ultralockeren Geldpolitik nicht verloren.

Marktstimmung – Schluss mit Aktien-lustig ist nur bei einem Zinsschock

Störmanöver wie harte Brexit-Verhandlungen oder neue Eskapaden von Trump laden zu zwischenzeitlichen Gewinnmitnahmen ein. Ohne Zweifel ist auch die Bewertung von US-Aktien, speziell im High Tech-Segment, ambitioniert.

Doch sollte man High Tech-Aktien von heute nicht platt auf eine Stufe mit Titeln der Dotcom-Blase setzen, die außer schönen bunten Visionen keine Substanz aufwiesen. Viele von ihnen sind hoch ertragreich. Natürlich trennt sich wie überall auch hier die Spreu vom Weizen. Das Beispiel Nokia zeigt, dass es dringend erforderlich ist, eine bestehende starke Position durch eine ordentliche Geschäftspolitik beizubehalten: Können die heutigen Überflieger die Anleger davon überzeugen, in puncto Digitalisierung oder Social Media auch morgen noch Marktführer zu sein, müssen sie keine Wiederholung des Platzens der Dotcom-Blase befürchten. Auch die Opec-Länder sind weiter an Alternativen zum weniger attraktiven Öl- und Gasgeschäft interessiert.

Gegen einen deutlichen Verkaufsdruck oder gar einen Crash spricht aber auch die bereits vorsichtige Marktpositionierung der Anleger. Seit Anfang April haben sich die spekulativen Positionen am Derivatemarkt auf steigende Kurse auf den S&P 500 im Trend auf ein neutrales Niveau zurückgebildet.

Auch bei Betrachtung des Anteils der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten ergibt sich kein großer Konsolidierungsdruck.

Ebenso deutet der von der BNP Paribas veröffentlichte Love-Panic Market Timing Indikator nicht auf nahendes Aktien-Unheil beim S&P 500 hin. Er liefert Signale für Aktienkäufe, sobald der Index ab der Schwelle von minus 20 in den Panic-Bereich fällt bzw. für Verkäufe bei einem Überschreiten der Schwelle von 20 in den Love-Bereich. Aktuell ist er in den Panic-Bereich gefallen und lässt als Kontraindikator auf Sicht der nächsten sechs Monate sich stabilisierende Kurse erwarten.

Auch der Verweis, wonach sich der Aktienaufschwung mittlerweile im neunten Jahr befindet, taugt nicht als Crash-Auslöser. Erst wenn es eine attraktive Zinsalternative zu Aktien gibt und auf Kredit stattfindende Aktienkäufe wegen Zinsverteuerung umgekehrt werden, ist der Crash nicht mehr aufzuhalten. Aufgrund der dramatischen finanz- und anschließend auch realwirtschaftlichen Kollateralschäden, die ab 2008 auf die Verfünffachung der US-Notenbankzinsen zwischen 2004 und 2006 folgten, wird die internationale Geldpolitik und erst Recht die Fed ein derartiges Folterinstrument nicht mehr zur Anwendung bringen.

Insgesamt, mehr als eine holprigere Börsenentwicklung im III. Quartal ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten. Die bearischen Untergangspropheten müssen weiterhin viel Geduld aufbringen.

Charttechnik DAX – 13.000 Punkte schwierig, aber nicht unmöglich

Beim DAX verläuft die erste Unterstützung bei 12.762 Punkten. Darunter folgen bei 12.700 und 12.681 weitere Haltelinien. Werden auch diese unterschritten, sind Kursverluste bis 12.524 und darunter 12.483 einzukalkulieren. Kann der Index auf der Oberseite den Widerstand bei 12.842 zurückerobern, liegt die nächste Barriere bei 12.879. Darüber stößt der Index bei 12.913 und knapp darüber am Allzeithoch bei 12.921 Punkten auf weiteren Widerstand. Kann er dabei auch die Barriere bei 12.952 Punkten überwinden, ist der Weg zu einem neuen Allzeithoch frei.

Der Wochenausblick für die KW 26 – Was macht das ifo Geschäftsklima?

In China zeigen der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor ein stabiles Konjunkturbild.

In den USA geben die Auftragseingänge langlebiger Güter im Mai zum wiederholten Male nach, während auch der Einkaufsmanagerindex für die Region Chicago seine Erholung nicht weiter fortsetzt. Dass die US-Konjunktur stottert, signalisiert auch das leicht nachgebende Konsumentenvertrauen der University of Michigan.

In der Eurozone setzt sich der zurückhaltende Inflationstrend laut Erstschätzungen auch im Juni fort. Gleichzeitig stagniert das von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsvertrauen auf hohem Niveau.

In Deutschland setzen die ifo Geschäftsklimazahlen ihren Steigflug nicht weiter fort, signalisieren jedoch eine weiterhin robuste Konjunkturlage. Einzelhandelsumsätze und der GfK Konsumklimaindex unterstreichen das Bild einer stabilen Binnenkonjunktur.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Bildquelle: Baader Bank / meineprivatenfinanzen.de