Irgendwann wird Janet Yellen zinspolitische Farbe bekennen müssen

Mit massiven Zinserhöhungen zwischen Sommer 2004 und Sommer 2006 wollte die Fed die außer Rand und Band geratene Immobilienblase wieder in die Realität zurückholen. Schließlich hatte diese „erfolgreiche“ Zinsmission nicht nur die Immobilienblase ruiniert, sondern um ein Haar auch fast das gesamte Finanzsystem. Diesen zinspolitischen Fehler will Frau Yellen mit Blick auf die noch größeren Blasen am Anleihemarkt und bei Wertpapierkrediten am Aktienmarkt nicht wiederholen. Denn wenn diese platzten, wäre die Finanzwelt wohl endgültig am Ende.

Frau Yellen will die Zinsen erst dann erhöhen, wenn es die „Daten“ wirklich hergeben. Aber welche Daten? US-Daten? Sicherlich! Globale Daten? Muss sie von Zinserhöhungen nicht absehen, um keine globale Kapitalflucht aus den Schwellenländern Richtung USA auszulösen, die im Extremfall eine Asien-Krise 2.0 heraufbeschwören könnte, die dann auch die US-Wirtschaft nicht kalt ließe? Eigentlich schon. Damit sind also planwirtschaftliche Maßnahmen Chinas zur Stützung von Finanz- und Realmärkten ein Argument für die Zinspolitik der Fed, oder?

Muss die Fed nicht auch noch auf Daten der Psychologie achten? Natürlich! Wir haben 2008 doch alle erlebt, dass die Pleite der kleinen Lehman-Bank, die über kein Einlagengeschäft verfügte, kein Kreditgeschäft betrieb und auch als Transaktionsbank keine bedeutende Rolle spielte, das Kopfkino von Anlegern und Wirtschaftsmanagern so negativ beherrschte, dass nur noch umfangreiche staatliche Konjunkturprogramme, finanziert durch Anleihekäufe der Geldpolitik Rettung versprachen.

Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht

Angesichts dieser ultimativen geldpolitischen Rettung hat die Fed heutzutage offensichtlich große Angst schon vor den Konsequenzen einer einzigen Zinserhöhung. Die wirklich mächtigste Frau der Welt macht sich damit zum Erfüllungsgehilfen der Finanzmärkte, die immer irgendwelche Daten ausfindig machen, die nach immer mehr billigem Geld schreien wie der Vampir nach Blut. Leider ist der Fluch der guten geldpolitischen Tat der gigantischste Anlagebedarf seit Adam und Eva. Geld wird wild über den Globus verteilt, um noch die letzten Renditen abzuweiden. Wird es dann plötzlich wieder abgezogen, kommt es wie bei China zu Vermögensverlusten, die den dortigen Konsum und die Investitionsbereitschaft und am Ende auch die Weltwirtschaft hemmen.

Immer mehr billiges Geld sorgt für immer mehr wirtschaftsverunsichernde Schwankungen an den Finanzmärkten. Die Fed ist selbst zu einem großen Verunsicherer geworden. Daher muss die Fed wieder zurückkommen zu nationalen Daten, die am ehesten nachvollziehbar sind.

Diese „neue“ Fed-Politik der Marke „Neue Sachlichkeit“ wäre mit Risiken verbunden. Risiken geht Frau Yellen jedoch auch ein, wenn sie ihre Hände weiter in zinspolitischer Unschuld wäscht. Es erfordert sicher viel Mut von ihr, die aktuelle US-Geldpolitik zu einem Systemrisiko zu erklären, dem man entgegentreten muss. Aber wer geldpolitisch zu spät kommt, den könnte das finanzwirtschaftliche Leben bestrafen.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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