Trotz Macron muss man Wasser in den süßen französischen Wein gießen
Es ist zu erwarten, dass Emmanuel Macron der nächste französische Staatspräsident wird.
Hurra, wir leben also noch! Unter dem Europa-freundlichen Macron bleibt uns also der Frexit als Polit-GAU Europas erspart. Macron will auch dem deutsch-französischen Motor wieder mehr europäische Zugkraft verleihen, der unter Hollande kein Salatblatt vom Teller ziehen konnte. Und auf den ersten Blick gefällt auch Macrons wirtschafts- und freihandelsfreundliche Gesinnung. Ist Macron also der neue europäische Heilsbringer?
Wirtschaftsliberalität und französische Politik – Zwei Welten prallen aufeinander
Immer langsam, bevor wir jemanden schon vor Amtsantritt (wirtschafts-)politisch heiligsprechen. Macron ist weder links noch rechts, ein neutraler Quereinsteiger auf der Polit-Bühne ohne Hausmacht. Selbst ein französischer Staatspräsident, der in vielen Entscheidungsfeldern Sonnenkönig-ähnliche Macht genießt, kann nicht locker durchregieren. Zwar wird Macrons neue Partei „En Marche“ nach den Parlamentswahlen im Juni in der neuen Nationalversammlung respektabel vertreten sein. Denn viele Kandidaten der früheren Volksparteien, die bei der Präsidentschaftswahl einen Totalschaden erlitten haben wie Napoleon bei Waterloo, werden – dem aktuell herrschenden politischen Zeitgeist nachlaufend – als Ersatzbefriedigung auf den Wahllisten Macrons kandidieren.
Damit werden sie noch lange nicht zu reformfreudigen Macronisten. Sie werden ihre ursprünglichen konservativen oder sozialistischen Duftmarken nicht wirklich ablegen und können daher im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren wirtschaftspolitische Reformansichten zerfasern.
Übrigens, die Franzosen haben dann zwar mit Macron für Reformen und Europa gestimmt. Geht es aber bei schmerzhaften Reformen zunächst an das eigene, sowieso nicht dicke Portemonnaie, kommt der berühmte zweite Blick. Bislang passten Wirtschaftsliberalismus und französische Politik ähnlich zusammen wie Feuer und Wasser. Ohnehin haben vier von 10 Wählerinnen und Wählern für die links- und rechtsradikalen Kandidaten gestimmt, die marktwirtschaftliche Reformen und das Europäische Gemeinschaftswerk so wenig auf der Karte haben wie ein Pariser Sternerestaurant Pommes rot-weiß.
Grundsätzlich sind Parlamentarier vom Stamme „Homo Oeconomicus“. Sie werden an ihre Wiederwahl denken, dem wählenden Volk aufs Maul schauen und bei gefühlter Reformrenitenz den Wendehals spielen. Und dann wird schließlich der neue, vermeintlich gut kehrende Besen Macron im Polit-Dreck von Paris seine Borsten verlieren.
Was bleibt dann von Macrons Wirtschaftsreformen übrig? Selbst in Amerika erleben wir im Augenblick das Rohrkrepieren von Wahlversprechen eines Präsidenten Trump, obwohl dieser über eine eigene republikanische Mehrheit im Kongress verfügt.
Hängt Macrons Reformfahne nur auf Halbmast?
Ohnedies sind Zweifel an Macron als Fahnenträger der französischen Reformbewegung angebracht. Klare Arbeitsmarktreformen will er nicht angehen, weil er weiß, dass dann die politische Stimmung in Frankreich kippt. So soll an der sozialromantischen 35-Stundenwoche nicht gerüttelt werden. So wird aus dem französischen Reformzug nie ein Schnellzug à la TGV.
Ebenso wird es im Verhältnis Frankreichs zu Deutschland sicherlich nicht nur eitel Sonnenschein geben. Ja, Macron will die Europäische Integration vertiefen. Aber es geht um die geschmackliche Ausrichtung. Macron ist ein Anhänger der Vergemeinschaftung von Schulden der Euro-Länder. Er findet Eurobonds so lecker wie französische Karamell-Bonbons. Kein Wunder, denn dann bekommen bonitätsschwächere Euro-Länder wie Frankreich bessere Zinskonditionen, für die der linksrheinische Nachbar im Sinne höherer eigener Schuldzinsen den Kopf hinhalten darf. Das stärkt nicht unbedingt den Anreiz für eigene Reform- und Stabilitätsbemühungen. Mit einem Präsidenten Macron kommt es zu einem harten deutsch-französischen Richtungsstreit zwischen Europäischer Stabilitäts- und Romanischer Schuldenunion.
Auch stimmt Macron gerne in den Chor der Kritiker des deutschen Handelsüberschusses ein. Zunächst einmal habe ich die Erfahrung gemacht, dass niemand – auch nicht in Frankreich – gezwungen wird, ein deutsches Auto oder eine deutsche Maschine zu kaufen. Die Käufer tun das freiwillig, weil sie von der Qualität überzeugt sind. Warum macht Frankreich es nicht genauso? Denn nicht derjenige Schüler, der seine Hausaufgaben erfolgreich macht, hat ein Problem, sondern diejenigen, die den Müßiggang pflegen. Man kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass die „4“ die „1“ des kleinen Mannes ist. Kurzfristig mögen tendenziöse Spenden an den Förderverein seitens der EZB Leistungslücken künstlich und kreativ füllen. Doch spätestens wenn man mit Pudding-Abitur auf eine brutal wettbewerbsstarke Weltwirtschaft trifft, fällt auch Frankreich in ein tiefes Wirtschaftsloch. Monsieur Macron, Klassenkeile gegen den Streber ist kein Ersatz für das Leistungsprinzip. Jeder ist auch seines eigenen Wirtschafts-Glückes Schmied.
Der Gallische Hahn darf nicht mit den Hühnern scharren, er muss mit dem Bundesadler fliegen
Selbstverständlich ist Macron mir unendlich lieber als linksradikale Gesundbeter oder die Zuckerpuppe aus der rechten Gruppe, Madame Le Pen. Beide empfinden für das europäische Gemeinschaftswerk so viel Sympathie wie unsereins für Zahnwurzelbehandlungen.
Doch relativ gut heißt nicht absolut gut. Mit nur einem bisschen macronistischer Reform kommt Frankreich nicht aus dem Wirtschafts-Schneider. Wenn nach einem konservativen Sarkozy und einem sozialistischen Hollande auch noch ein pragmatischer Macron an der französischen Wirtschaftsgesundung scheitert, könnten bei der nächsten Präsidentenwahl 2022 aus Wählerenttäuschung doch noch rattenfängerische Europa-feindliche Parteien an die Futtertröge der Pariser Politik gelangen. Trotz des vermeintlichen Euro-Jokers Macron kommt Europa dann schließlich doch noch unter die Guillotine.
Monsieur Macron muss seinen Landsleuten Perspektiven bieten. Vor allem den vielen arbeitslosen Jugendlichen darf er sprichwörtlich nicht nur wie dem Esel die Karotte vor die Nase halten, sondern ihnen auch die Chance geben, diese zu erlangen.
Lieber Herr Macron, Sie glauben ja gar nicht, wie gesund Gemüse ist.
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
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