American Banks First muss auch heißen European Banks First

Alles neu macht der Trump. Selbst die Regulierung der Finanzindustrie, die seit 2008 als heilige Kuh gilt, ist nicht mehr vor dem rotfüchsigen Schlächter sicher. Mit einem neuen Dekret wird die Re-Deregulierung eingeläutet. U.a. soll die eiserne „Volcker-Rule“ marshmallowisiert werden. Diese schränkt den (Eigen-)Handel der US-Banken ein oder verbietet ihn sogar.

Kritiker dieser Neo-Deregulierung sehen allerdings die Gefahr eines Rückfalls in die schlimmste Zeit des Glücksrittertums, als Investmentbanken wie im Spielcasino sogar mit den Geldern der Anleger spekulierten und am Ende mit Steuergeldern gerettet werden mussten.

Die US-Bankenregulierung hat durchaus Schwächen

Natürlich stellt sich die Frage, was Handelsbeschränkungen für Banken nutzen, wenn sich Anlageexzesse auf Hedgefonds und Hochfrequenzhändler verlagern. Und sicherlich haben die verschärften Bankenregeln auch zu einer Ausdünnung der Liquidität geführt. Weil Banken im Handel nicht mehr ohne weiteres mitspielen dürfen, finden Anleger, die große Pakete selbst an US-Staatsanleihen kaufen oder verkaufen wollen, nur noch mit viel Mühe einen Abgeber bzw. Aufnehmer. Der Handel mit illiquiden Papieren ist dann umso schwieriger. In krisenhaften Marktsituationen kann es durchaus zu Kursschwankungen, ja sogar zu massiven Verunsicherungen mit negativen Kollateralschäden kommen.

Nicht zuletzt widersprechen sich viele Regulierungsmaßnahmen wie bei einer Ampel, die gleichzeitig rot, gelb und grün leuchtet. Damit sind sie Auslegungssache für findige bzw. windige Wall Street-Anwälte, die dem Grundsatz frönen: Mir geht es gut, ich kann klagen.

US-Banken als Instrumente des Trumpismus

Aber halt: Diese Schwächen der US-Bankenregulierung waren sicher nicht der Anlass für Trump, ehrenhaft deren Ent-Regulierung zu betreiben. Auch die Behauptung, die Wirtschaft bekäme nur ungenügend Kredit, taugt nicht als Alibi für Regelentspannung. Das sind Fake News, alternative Fakten. Die Realität spricht eine andere Sprache.

Die wahre Absicht der Trumpschen Bankenderegulierung ist zunächst eine Attacke gegen die US-Notenbank. Je weniger Banken reguliert werden, umso eher sind sie emanzipiert, in der Lage, Geldschöpfung selbst dann zu betreiben, wenn die Fed geldpolitisch restriktiv würde. Die US-Notenbank kann dann den Trumponomics nicht mehr so restriktiv in die Parade fahren.

Süßer die Banken-Kassen nie klingen als zu der Trumpschen Zeit. Wenn Trump den US-Banken den Weg frei macht, um wieder richtig Geld zu verdienen, erhöht er deren globale finanzwirtschaftliche Bedeutung. Je deregulierter, ertragreicher und damit mächtiger US-Institute sind, desto mehr treiben sie die regulierte, ertragsschwache und damit angeschlagene europäische Konkurrenz vor sich her wie Jäger die Hasen. Sie sind immer mehr in der Lage, uns ihren finanzwirtschaftlichen Willen aufzudrücken. In einer angeschlagenen internationalen Finanzwelt sind starke US-Banken so etwas wie Atombomben mit gewaltigem Abschreckungspotenzial.

In der europäischen Bankenpolitik weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut?

Trump zerstört mit einer Abrissbirne die international mühsam aufgebaute Architektur der Finanzmarktstabilität, um seinen US-Instituten einen Deregulierungsvorteil zu sichern.

Europa hat bei der Bankenrettung von Anfang an gewaltige Fehler gemacht. Wie in den USA hätte man alle systemrelevanten Institute zwangskapitalisieren und dann von Grund auf sanieren müssen. Nach Erfolg hätte man später wie in Amerika die staatlichen Beteiligungen wieder mit Gewinn für die Steuerzahler veräußern können. Dieser Rettungsstrategie standen jedoch ideologische Bretter vor dem Kopf der europäischen Politik entgegen. Und ein bisschen Wahlpopulismus war auch dabei.

Und so sind viele Institute z.B. in Südeuropa bis heute nicht aus dem Schneider. Immer noch sind umfangreiche notleidende Kredite vorhanden. Und wer faule Kredite in den Bilanzen hat, hat weniger Muße neue Kreditrisiken einzugehen.

Nicht zuletzt binden diese Altlasten wertvolles Eigenkapital oder fressen es sogar auf. Unter Eigenkapitalüberfluss leiden Europas Banken ohnehin nicht. Eigenkapital ist purer Luxus, wenn es nicht wie früher in Amerika von Vater Staat kommt, sondern aus eigener Kraft in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld herbeigeschafft werden muss. Da nützt auch die freizügigste Geldpolitik der EZB nichts. Sie sorgt zwar dafür, dass keine europäische Bank mehr wegen Illiquidität über die Klinke springt. Aber stabile Liquiditäts-Seitenlage heißt noch lange nicht stabile Geschäftslage. Das Eigenkapital herzaubern kann sie nicht.

Und jetzt kommt auch noch die wie eine übereifrige Ameisenkolonie arbeitende Bankenregulierung in Europa hinzu, die die Institute zu Vorhaltung von mehr Eigenkapital zwingt.

Und da wundert man sich noch, warum das eurozonale Kreditvolumen im Gegensatz zu Amerika vor sich herdümpelt?

Die Eurozone hat keinen konsistenten Plan. Während die EZB mit beiden Füßen auf dem Gaspedal steht, drückt der Regulierer mit beiden Extremitäten auf die Bremse.

Raus aus dem ideologischen Idealismus und rein in den realistischen Pragmatismus

Es hilft heute nichts mehr, den Banken immer und immer wieder die Schuld an der Finanzkrise zu geben, obwohl es doch die Politiker waren, die die europäischen Finanzmärkte dereguliert haben. Und sich jetzt wie die beleidigte Leberwurst aufführen und Amerika für wieder mehr Deregulierung zu kritisieren, ist auch keine Lösung.

Aber vielleicht versuchen wir es ausnahmsweise einmal mit bankwirtschaftlicher Zusammenarbeit auf europäischer Ebene unter Einbindung der EZB. Dabei muss man auch über seinen eigenen Schatten springen können.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Altlasten notleidender Kredite aus den Bankbilanzen vor allem südeuropäischer Banken entsorgt werden müssen. Wenn auch spät, so muss der jeweilige Staat dennoch als Rekapitalisierer auftreten, damit der Kredit-Stall ausgemistet werden kann. Hierbei ist die Stabilitätskröte von Aufkäufen von Staatspapieren seitens der EZB leider zu schlucken. Ansonsten gibt es keine neuen, volkswirtschaftlich notwendigen Kredite.

Und man muss die Bankenregulierung überdenken. Das heißt nicht, dass wir jetzt auch alle Regeln über den Haufen werfen. Aber so wie man überderegulieren kann, kann man auch überregulieren. Bankenregeln sollen selbstverständlich Auswüchse verhindern, aber wirtschaftlich keine verbrannte Erde hinterlassen. Es geht nicht um Ideologie von Politikern, sondern um Realpolitik.

Bis ein endgültiges Gesetz über die Re-Deregulierung amerikanischer Banken vorliegt, wird zwar noch viel Wasser den Potomac in Washington herunterfließen. Diese Zeit muss die europäische Bankenpolitik dringend nutzen.

Im Kampf gegen den amerikanischen Finanz-Adler mit rot-blonden Haaren muss der europäische Banken-Stier stark sein. Noch ist er nicht kastriert!

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Bildquelle: Baader Bank / meineprivatenfinanzen.de