Die Zinswende – Das Phantom der Finanz-Oper?

Noch Anfang 2016 sprach die US-Notenbank von vier Zinserhöhungen. Eine ist es schließlich geworden. Gegenüber früheren Zinserhöhungszyklen der US-Notenbank ist der aktuelle bislang nur ein Zinswendchen. Für 2017 plant die Fed statt zwei jetzt drei Zinssteigerungen ein. In den zwei Folgejahren sollen es ebenfalls drei Zinserhöhungen sein. Aber wird es zu dieser Zinswende tatsächlich kommen? Denn grundsätzlich ist die (Finanz-)Welt und selbst Amerika mit vielen Risiken belastet. Wie viel zinspolitische (Phantom-)Schmerzen kommen also auf die Anleger zu?

Nach einem Jahr Abstinenz und vielen kontroversen Diskussionen hat die Fed auf ihrer letzten Sitzung des Jahres eine zweite Zinserhöhung um 25 Basispunkte vorgenommen. Eine Überraschung wäre dieser Schritt nur dann gewesen, wenn er ausgeblieben wäre.

Für Irritationen sorgen allerdings die Leitzinsprojektionen. Für 2017deutet Fed-Präsidentin Yellen drei statt zwei Zinssteigerungen an, die sich jeweils 2018 und 2019 wiederholen sollen.

Gemäßigte Wachstums- und Inflationsprognosen

Allerdings betonte Fed-Chefin Yellen explizit, dass das sog. „dot plot“, d.h. die Zinsprojektionen der Fed, nicht in Stein gemeißelt ist. Dafür besteht angesichts ihrer zahlreichen Fehleinschätzungen in den letzten Jahren tatsächlich keine Veranlassung. Zinsschritte werden auch zukünftig „data dependent“, konjunkturdatenabhängig sein. In diesem Zusammenhang bleiben die Wachstumsprojektionen fast unverändert (2,1 nach 2,0 Prozent im Jahr 2017, 2,0 Prozent für 2018 und 1,9 nach 1,8 Prozent für 2019). Konjunkturell zwangsläufige Zinserhöhungsgründe ergeben sich daraus nicht. Konjunkturperspektiven durch die neue Präsidentschaft lässt die Fed bislang außer Acht.

Dennoch ist ihr bewusst, dass für eine reibungslose Schuldenfinanzierung der von Trump geplanten binnenwirtschaftlichen Konjunkturoffensive die Unterstützung der Fed unverzichtbar ist. Und war es nicht schon immer das Lamento von Frau Yellen, dass die amerikanische Infrastruktur dringenden Nachholbedarf hat? Auch wenn es aktuell anders formuliert wird, ging es der Fed – und gerade Frau Yellen als eine im Fell gefärbte geldpolitische Taube – immer viel mehr um Konjunkturstützung und viel weniger um Inflationsbekämpfung.

Auch aus Inflationssicht hält sich das Zinserhöhungspotenzial in Grenzen. Trotz steigender Rohstoffpreise belässt die US-Notenbank ihre Inflationsprognosen (1,9 Prozent im Jahr 2017, 2018 und 2019 jeweils 2,0 Prozent) auf gleichem Niveau. Das Inflationsziel der Fed würde also erst 2018 erreicht und damit keine unmittelbar scharfe Zinsreaktion erforderlich machen. Damit schiebt die US-Notenbank die Preissteigerungen bei Rohstoffen, die zuletzt für einen sprunghaften Anstieg der Inflationserwartungen gesorgt haben, offenbar beiseite.

Die Fed kennt die mangelnde Förderdisziplin der Opec aufgrund der wirtschaftlichen Notlagen ihrer Mitglieder. Und sie weiß auch, dass gleichzeitig mit der Alternativfördermethode Fracking keine nachhaltige Preisbefestigung bei Öl zu erwarten ist. Inflationsseitig ist damit auch der Trend weiter steigender US-Staatsanleiherenditen begrenzt.

Die Fed blickt über den amerikanischen Tellerrand hinaus

Bei der Zinspolitik der Fed spielt auch die Weltkonjunktur – auch wenn nicht ausdrücklich angesprochen – eine Rolle. Ein zinserhöhungsbedingt aufwertender US-Dollar hat bereits zu Kapitalabzug und einer damit verbundenen Aktienschwäche der Schwellenländer geführt. Eine markante Fortsetzung dieser Dollar-Befestigung würde ihren Zins- und Tilgungsdienst der zu großen Teilen in US-Dollar aufgenommenen Staats- und Unternehmensverschuldung erschweren und Investitionsmittel auch aus psychologischen Gründen selbst für sinnvolle Zwecke zurückhalten. Im Übrigen behindern US-zinspolitische Störmanöver den Umbau der chinesischen Wirtschaft. Eine im Extremfall neue Asien-Krise wie 1997/98 mit weltweiten Ausstrahleffekten wird die Fed nicht mutwillig herbeiführen.

Zinsänderungsrisiko für Aktien bleibt überschaubar

Angesichts einer wirtschaftspolitischen Schonzeit der neuen Trump-Administration wird sich die Fed vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2017 mit konkreten Zinserhöhungsfragen beschäftigen. Für eine zukünftig behutsame Zinspolitik spricht auch, dass sechs der insgesamt 17 Direktoriumsmitglieder der Fed entweder zwei oder sogar nur einen Zinserhöhungsschritt 2017 für angemessen halten. Die realen US-Leitzinsen, d.h. nach Inflation, bleiben noch lange Zeit auf Krisenniveau, also negativ. Grundsätzlich ist das keine restriktive Zinspolitik.

Zinspanik ist insofern nicht angebracht. Leichte Zinserhöhungen sind dagegen Beweise für eine freundliche Konjunkturstimmung. Kritische Zinserhöhungsniveaus wird die Fed verhindern, um – wie nach der radikalen Zinserhöhungsphase von 2004 bis 2006 – Stimmungseintrübungen der Wirtschaft zu verhindern, die dann erst eine noch großzügigere Geldpolitik als vorher erforderlich machten.

Anfängliche Zinserhöhungen werden ebenfalls als fundamentale Vertrauensbeweise für den US-Aktienmarkt bewertet. Erst wenn sie schmerzhafte Finanzierungsbedingungen erreichen, wirken sie sich schädlich aus. Davon kann nicht die Rede sein.

Überhaupt, die Verknappung der Liquiditätsausstattung Amerikas, die einen Renditeanstieg bei Anleihen beschleunigen und damit eine Anlageralternative zu Aktien nahelegen würde, spielt in den geldpolitischen Überlegungen der Fed keine Rolle. Das mit der Liquiditätsausstattung der USA verbundene potenzielle Kreditvolumen könnte die gesamte US-Volkswirtschaft mühelos ein zweites Mal finanzieren.

Die zinspolitische Zweiteilung der Finanzwelt

Während die Fed in einem leichten Leitzinserhöhungsmodus ist, ist dieser bei der EZB nicht im Entferntesten erkennbar. Die im Vergleich zu den USA schwache konjunkturelle Verfassung Europas und politische Risiken erlauben der EZB keinen Nachahmereffekt.

Diese zinspolitische Abgrenzung lässt sich auch bei der Entwicklung 10-jähriger Renditen von US-Staatsanleihen und der Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen beobachten. Ihr historischer Gleichlauf löst sich seit 2013 auf und hat sich kürzlich noch verstärkt. In der Eurozone ist das Zinsänderungsrisiko zulasten von Aktien noch schwächer ausgeprägt als in den USA.

Diese zinsseitige Diskrepanz sorgt nicht zuletzt für eine fortgesetzte Schwächung des Euro gegenüber US-Dollar. Exportseitige Aktien erhalten so weiter Rückenwind.

Charttechnik DAX – Das Momentum bleibt positiv

Aus charttechnischer Sicht liegt beim DAX der nächste Widerstand bei 11.431 Punkten, gefolgt von einer weiteren Barriere bei 11.618. Kommt es zu einer zwischenzeitlichen Konsolidierung, liegen erste Unterstützungen bei 11.193 und 11.055 Punkten. Darunter warten die nächsten Haltelinien bei 10.989 und anschließend bei 10.802.

Der Wochenausblick für die KW 51 – Was macht der ifo?

In Japan können stabile Exportzahlen nicht über die grundsätzlich verhaltene Konjunktursituation hinwegtäuschen. In den USA präsentieren im November erneut schrumpfende Auftragseingänge langlebiger Güter ein noch nicht sorgenfreies Bild der Konjunktur. Immerhin zeigen sich auf der Stimmungsebene der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe sowie die US-Konsumentenausgaben stabil.

In Deutschland blicken die Anleger vor allem auf die ifo Geschäftsklimadaten. Der GfK Konsumklimaindex dürfte sich erneut aufhellen und die positive Bedeutung der deutschen Binnenwirtschaft als wichtiges Standbein der deutschen Wirtschaft unterstreichen.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Bildquelle: Baader Bank / meineprivatenfinanzen.de