EZB – Definitiv kein Einstieg in den Ausstieg!

Mit Blick auf die massiven wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme der Eurozone kann sich die EZB den Stabilitätsluxus einer Deutschen Bundesbank schon lange nicht mehr leisten. Und angesichts von vier Nationalwahlen in Euro-Staaten 2017 wird sie jetzt auch noch die Aufgabe der politischen Flurbereinigung übernehmen. Denn Euro-kritische Wahlergebnisse, die den Zusammenhalt des Währungsraums gefährden, sollen mit einer weiterhin zinsgünstigen Refinanzierung von Wähler beruhigenden Konjunktur- und Sozialprogrammen vereitelt werden. Die Reduktion des zukünftigen Volumens von Anleihekäufen sollte dabei nicht irritieren. Denn erstens wird das Aufkaufprogramm der EZB von März bis Dezember 2017 verlängert und zweitens hat sie sich klar geoutet, die monatliche Liquiditätsversorgung im Bedarfsfall wieder zu vergrößern. Ohnehin lassen die Inflationsprognosen der EZB auch für die nächsten drei Jahre keine Hoffnung auf nachhaltig steigende Anlagezinsen zu. Die Zinssparer zahlen weiter den Preis der vollumfänglichen Euro-Rettung.

Bis 2019 ist die Hoffnung auf steigende Anlagezinsen gering

Das ursprünglich bis März 2017 terminierte Anleiheprogramm der EZB geht erneut in die Verlängerung, bis mindestens Dezember 2017. Zwar wird das monatliche Aufkaufvolumen ab April 2017 von 80 wieder auf das ursprüngliche Niveau 60 Mrd. Euro gesenkt. Insgesamt jedoch erwirbt die EZB damit etwa 540 Mrd. Euro mehr Anleihen als bislang geplant. Um Knappheitsprobleme beim Anleihekauf zu vermeiden, lockert sie ihre Kaufrestriktionen. Zukünftig wird sie auch Anleihen mit Renditen unterhalb des Einlagenzinses von minus 0,4 Prozent und mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr – bislang zwei Jahren – erwerben.

Spekulationen, dass es sich bei der Drosselung der Aufkäufe um den Beginn eines versteckten Tapering handelt, widersprach EZB-Präsident Draghi heftig. Im Übrigen sind die Wachstumsprojektionen der EZB unverändert zurückhaltend: 1,7 nach 1,6 Prozent im Jahr 2017, 2018 und 2019 jeweils 1,6 Prozent. Gleichzeitig hat Draghi die Konjunkturrisiken betont. Spanien und insbesondere Italien haben ihre Wirtschaftsleistung von vor dem Krisenjahr 2008 immer noch nicht erreicht. Und durch den Brexit – der seine Negativwirkung erst mittelfristig offenbaren wird – sowie (wahl-)politische Risiken in der Eurozone sind weitere konjunkturelle Reibungsverluste einzukalkulieren. Die prekäre Investitions- und Konsumneigung unterstreicht die anhaltend lethargische Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte.
Zwar signalisiert die Reduktion der Anleihekäufe auf monatlich 60 Mrd. Euro, dass sich der große Deflationsdruck abgeschwächt hat. Laut EZB bleibt dennoch eine nachhaltige Inflationsbeschleunigung aus. Gemäß ihrer Inflationsprojektionen rechnet sie in den kommenden drei Jahren trotz zuletzt wieder steigender Energiepreise nicht mit der Erreichung ihres Inflationsziels von zwei Prozent: 1,3 Prozent 2017; 2018 1,5 Prozent und 2019 1,7 Prozent. Grundsätzlich hält die alternative Ölfördermethode Fracking den Deckel auf nachhaltig steigenden Energiepreisen. Damit ist das Kernkriterium für eine restriktive Geldpolitik nicht erfüllt. Auch die Kerninflationsrate – ohne Berücksichtigung von Nahrungsmitteln und Energiepreisen – zeigt seit Ende 2013 einen Seitwärtstrend.
Die weiterhin durch Anleihekäufe künstlich gedrückten Renditen für Staatspapiere ermöglichen in den prekären Euro-Staaten eine sorgenfreie Neuverschuldung, die anderenfalls Ausgabenkürzungen oder Steuerbelastungen nach sich ziehen würden. Damit betreibt die EZB Konjunktur- und Sozialpolitik bzw. Wahlwerbung für das regierende Europa-freundliche Establishment.
Marktlage und Anlegerstimmung – Draghi und Trump rocken die Aktienmärkte

Tatsächlich zeigen sich in einem von der BNP Paribas veröffentlichten Index erste Anzeichen eines Rückgangs politischer Risiken in der Eurozone. Gleichzeitig haben sich die Aktienkursschwankungen laut Euro Stoxx 50 Volatility spürbar zurückgebildet.
Trotz der in den EU-Statuten verankerten Regeln will man die Gläubiger italienischer Kreditinstitute – hauptsächlich italienische Sparer – nicht primär zur Bankenhaftung heranziehen. Denn angesichts einer dann eintretenden massiven Vermögensvernichtung will niemand den Unmut italienischer Wähler bei den vermutlich im Frühjahr stattfindenden Neuwahlen riskieren. Alternativ wird hinter vorgehaltener Hand die Teilverstaatlichung der Krisen-Bank Monte dei Paschi di Siena vorbereitet. Dabei soll der italienische Staat Bankanleihen aufkaufen und diese schließlich in Aktien umwandeln. Von einer bis zu 40-prozentigen staatlichen Beteiligung ist die Rede.

Die ohnehin seit Sommer bestehende Zuversicht, dass – trotz gestiegener Kreditrisiken – keine sich verschärfende italienische Bankenkrise zugelassen wird, die in eine Systemkrise der Finanzbranche insgesamt münden würde, hat weiter zugenommen. Aktuell finden die deutlich gefallenen Kreditrisiken europäischer Banken ihren Niederschlag in sprunghaft steigenden Bankaktienkursen.
Von der Banken-Rettung profitieren die Finanzindustrie-lastigen Aktienmärkte in Italien und Spanien. Bei gleichzeitig „geldpolitischer Polit-Rettung“ hat insbesondere der 2016 bislang schwach verlaufene italienische Aktienmarkt großes Nachholpotenzial.
Die Finanzwelt mag grundsätzlich ihre Zins- bzw. Renditetiefs gesehen haben. Für ein markantes Zinsänderungsrisiko spricht aber nichts. Die Zinserhöhung der US-Notenbank am 14. Dezember ist ebenso eingepreist wie zwei weitere im Jahr 2017. Dennoch bleibt diese amerikanische Zinswende ein Zinswendchen. Und in Europa und Japan ist geldpolitische Restriktion noch lange Zeit ein Fremdwort. Insgesamt bleibt das Zinsänderungsrisiko klein und damit die Liquiditätshausse im Sinne unattraktiver Alternativanlagen beim Zinsvermögen intakt.

Fundamentale Aktienargumente nehmen aber auch zu. Nach Stimmungsfestigung in der US-Industrie legte ebenso der ISM Index für das Dienstleistungsgewerbe mit dem höchsten Stand seit Oktober 2015 kräftig zu. Diese breite konjunkturelle Unterstützung sorgt für eine fortgesetzte Stabilisierung des US-Aktienmarkts. Trump werden offenbar viele Vorschusslorbeeren gewährt.
Im Zuge der Reindustrialisierung Amerikas mit weltweiter Streuwirkung hellen sich die Phantasien für die deutsche Industrie-Substanz auf. Weltwirtschaftlich hilfreich sind ebenso zuletzt wieder festere Im- und Exportdaten in China. Ohnehin signalisieren verbesserte Daten zu „Auftragseingängen in der Industrie“ und „Industrieproduktion“ bereits eine Konjunkturdynamisierung im Jahresend-Quartal. Auch der sich wieder abschwächende Euro liefert exportseitig Aktienargumente. So können Investoren zwischenzeitliche Kursrücksetzer als niedrigere Einstiegspreise für günstige Zukäufe bei deutschen Qualitätsaktien aus dem DAX, MDAX und SDAX nutzen.

Charttechnik DAX – Der Knoten ist geplatzt

Charttechnisch liegt beim DAX ein erster Widerstand bei 11.193, gefolgt von einer weiteren Barriere bei 11.431. Kommt es zu einer zwischenzeitlichen Konsolidierung beim DAX, liegen erste Unterstützungen bei 11.055 und 10.989 Punkten. Darunter wartet eine starke Unterstützung bei 10.802, bevor weitere Haltelinien bei 10.735 und 10.685 in den Vordergrund treten.

Der Wochenausblick für die KW 50 – Die Fed macht keine Zins-Angst

In China unterstreichen Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze für November die allmähliche konjunkturelle Stabilisierung.

In den USA zeigt sich die Konjunkturstimmung gemäß Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed wieder stabiler. Die hard facts zu Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen im November sowie Baubeginne und -genehmigungen bleiben noch verhalten.

Aus Gründen der zinspolitischen Glaubwürdigkeit wird die US-Notenbank nach langem zinspolitischen Versteckspiel die Leitzinsen um 25 Basispunkte anheben. Die Aufmerksamkeit der Anleger gilt dabei aber vor allem den Konjunktur- und Inflationsprognosen sowie der Pressekonferenz, auf der die Fed ein weiterhin gemächliches Zinserhöhungstempo in Aussicht stellen wird.

In der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe eine nur langsame zyklische Konjunkturerholung, die gemäß schwachen Preisdaten für November aber nicht zur nachhaltigen Inflationsbeschleunigung taugt. Zudem haben Anleger ein Auge auf die weiteren politischen Entwicklungen in Italien.

In Deutschland setzen die ZEW Konjunkturerwartungen ihren Aufwärtstrend fort.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

Bildquelle: Baader Bank / meineprivatenfinanzen.de