Wie geht man als Anleger eigentlich mit Gold um?
Der Hund ist der beste Freund des Menschen und die Krise der beste Freund von Gold. Und Krisen gibt es genug. Der politische Konflikt des Westens mit Russland schwelt weiter. Hinzu kommt die Terrorgefahr. Daneben ist die EU in einer Beziehungskrise, die sich nur noch durch Konfliktvermeidung und Lösungsunfähigkeit auszeichnet. Was für ein Armutszeugnis für den größten Binnenmarkt der Welt, der übrigens auch arm an Mitgliedern werden könnte. Wenn Onkel David Cameron Ende Juni Good Bye zur EU sagt, ist die europäische Familie noch geschwächter. Großbritannien könnte Europa sogar mit Amerika fremdgehen. Wie will man dann noch bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen „TTIP“ – die intransparenter als jede Papst-Wahl ablaufen – eine geschlossene europäische Phalanx gegenüber einem souverän verhandelnden Amerika bilden.
Stabilität in Europa ist kein brüllender Löwe mehr, sondern nur noch ein Bettvorleger im Schlafzimmer von Alexis Tsipras
Der stabilitätspolitische Totalschaden der EU sollte auch nicht vergessen werden. Griechenland ist 2016 genauso bankrott wie 2015. Um die europäischen Zersetzungserscheinungen jedoch nicht weiter wie Maiglöckchen sprießen zu lassen, setzt die Troika – böse Zungen sprechen vom Trio Infernale – aus EU, EZB und IWF auf ultimative Schadensbegrenzung: Für Griechenland wird es selbstverständlich einen zwar zum Himmel stinkenden Schuldenkompromiss geben, der aber immerhin die Auszahlung des nächsten Hilfspakets sichert und die Kreditzurückzahlung auf eine Zukunft verschiebt, in der unsere EU-Politiker längst ihre Pensionen genießen. Mit dieser pragmatischen Lösungsblaupause lassen sich übrigens auch die Finanzprobleme anderer angeschlagener EU-Staaten wie Portugal, Spanien oder Italien lösen. Kein Stabilitätsproblem kann so groß sein, dass es ein Europa nicht auf seine liebenswert pragmatische Art lösen könnte.
Ab 2016 ist nicht mehr die vermeintlich stabilitätsorientierte Frau Merkel, sondern die der Verschuldung weniger orthodox gegenüberstehenden Herren Tsipras, Renzi und XXX (in Spanien wird neu gewählt) die Machtträger der Eurozone. Auch Monsieur Hollande, dem Madame Le Pen wahlpopulistisch im Nacken sitzt, wird sich – trotz der vielen netten Wangenküsschen – nicht auf die Seite der Bundeskanzlerin stellen, sondern sich für die Herrenriege entscheiden. In La Grande Nation sind Reformpolitik, staatliche Ausgabendisziplin, generell Stabilität nur dann erwünscht, wenn sie nicht wehtut. Doch da sie immer wehtun, sind sie auch nicht erwünscht.
In Europa bleibt damit eins im Gegensatz zur Rente sicher: Eine hohe Staatsverschuldung. Denn wenn die Privatwirtschaft wegen wirtschaftspolitischer Reformunfähigkeit kastriert wird, muss der Staat mit Schulden den Ersatzliebhaber spielen.
Wo keine Schuldzinsen, da auch keine Anlagezinsen
Und jetzt kommt die Geldpolitik ins Spiel. Die Staatsverschuldung wird im Wollwaschgang der EZB schön flauschig gewaschen. Mit viel Weichspüler der Marke „Liquidität“ werden die Staatsanleiherenditen solange gedrückt, bis sie keinen Finanzpolitiker mehr kratzen.
Zinsbesserung können die Notenbanken nicht mehr zulassen. Steigende Renditen machten die Finanzierung neuer Staatsschulden zum unbezahlbaren Luxus. Im Extremfall kollabiert unser auf Pump aufgebautes Finanzsystem.
Vor diesem Hintergrund ist die EZB auch gezwungen, Inflation – wenn sie irgendwann wieder kommt – nicht so zu bekämpfen, wie es eigentlich ihr Auftrag wäre. Zur Not wird man sich einen Inflationsindex zimmern, dessen Warenkorb sich aus Produkten wie Schwarz-Weiß-Fernsehern zusammensetzt, um die Illusion der Preisstabilität aufrechtzuerhalten.
Schulden machen, deren Deckel die EZB zahlt – in unserer Romanischen Schuldenunion ist Zinssparen zum Masochismus geworden. Grundsätzlich haben Zinspapiere ihren früheren Zinsvorteil gegenüber physischem Gold – das keine Jungen bekommt – verloren. Für Gold spricht nicht zuletzt das Knappheits-Argument. Während die mit Zentralbankgeld finanzierten Staatsschulden ein Weltmeer füllen könnten, passt Gold in einen Putzeimer. Und Finanz- und Geldpolitiker denken – ähnlich wie Frösche – gar nicht an die Trockenlegung der Schuldensümpfe.
Warum Gold nicht steigen darf, obwohl es fundamental steigen müsste
Grundsätzlich verfügt keine andere Anlageklasse über mehr Argumente für steigende Preise als Gold. Ohnehin weiß ich, dass so mancher offizielle „Goldhasser“ zu Hause die Fenster schließt, um das schöne deutsche Volkslied „Gold und Silber lieb ich sehr“ zu trällern. Und tatsächlich hat der Goldpreis seit Jahresanfang auf US-Dollar- und auf Euro-Basis deutlich zugenommen.
Eine weitere fundamental vollkommen gerechtfertigte, dramatische Aufwärtsbewegung von Gold, die auch die Höchstständen von 2011 mühelos hinter sich lässt, ist aber nicht zu erwarten.
Denn da steht jemand auf der Bremse. Und dieser „Jemand“ ist die Geldpolitik mit ihrem großen Plattfuß. Notenbanken sind nicht nur gute Zins-, sondern auch Meister in der Disziplin „Goldpreisdrückerei“. Das machen sie allerdings nicht selbst. Diese „Drecksarbeit“ überlassen sie „befreundeten“ Geschäftsbanken, die jedoch mit viel Zentralbankgeld den Goldpreis über die Terminmärkte möglichst in Mollstimmung versetzen. Erfolgreich ist diese Strategie allerdings nur, wenn niemand der beteiligten Banken auf physische Lieferung besteht, wenn sie bei der derivaten Wette gewonnen haben. Denn dann ginge Gold durch die Decke. Doch zur Wahrung der Illusion des billigen Goldes haben die Geschäftsbanken untereinander Geldausgleich vereinbart. Und wo kommt das Geld wohl her?
Aus Sicht der Notenbanken macht die Goldpreismanipulation viel Sinn. Denn bei ihrer Rettung des Weltfinanzsystems seit 2008 mit „Geld“ kann man keine Konkurrenzwährung „Gold“ gebrauchen, die die Wirkung der Geld-Mission ähnlich behindern würde wie alkoholfreies Bier die Stimmung auf einem Junggesellenabschied. Denn ein massiv ansteigender Goldpreis könnte dem schnöden Mammon Geld das Vertrauen entziehen und Gold als Geldscheinersatz bzw. Silber als Hartgeldersatz im Rahmen einer Tauschwirtschaft hoffähig machen. Die Notenbank als Geld-Casanova wird alles dafür tun, um leistungsstark zu bleiben.
Bei Gold zählt vor allem der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite
Vor diesem Hintergrund wird Gold trotz zuletzt unverkennbarer Stabilisierung keine weitere massive Kursbefestigung erleben können, obwohl fundamental alles, wirklich alles dafür spricht. Dem Goldpreis sind oberhalb von 1.300 US-Dollar je Unze enge Grenzen gesetzt.
Na und? Ich bleibe ein großer Freund des physischen Goldes. Bei Fortsetzung der Romanischen Schuldenunion werden wir noch dankbar sein, neben Aktien und Immobilien auch das Sachkapital Gold zu besitzen. Dieses Edelmetall ist eine grundsätzlich solide Vermögensversicherung gegen finanz- und geopolitische Risiken, die gerade im systemischen Schadensfall nicht ausfällt. Gold hat alle Krisen überlebt. Es wird nie schlecht und es braucht sich vor keiner Währungsreform zu fürchten. Das halbe Schwein beim Metzger, den Sack Äpfel beim Obstbauern oder 100 Eier beim Hühnerhof wird man gegen Gold am Tag X immer noch bekommen. Gold steht über den geldwirtschaftlichen Dingen.
Die großen Staatsschulden der Vergangenheit wurden noch nie zurückgezahlt. Staatspapiere waren am Ende tatsächlich immer nur Papier. Es spricht nichts dafür, dass diese Regel zukünftig gebrochen wird. Immerhin, am Tag X kann man sich zumindest an ihrem Brennwert erwärmen.
Gold in welcher Anlageform?
Zur Absicherung gegen längerfristige Systemrisiken macht es grundsätzlich Sinn, auch bei der konkreten Anlageform auf Nummer Sicher zu gehen, also die physische Form von Gold zu wählen. Physisches Gold heißt für mich, vor allem maximal die handliche 1-Unzen-Form zu wählen. Denn wie will man mit z.B. einem Kilo Gold Güter des alltäglichen Bedarfs bezahlen? Will man immer die Metallreibe bei sich tragen? Auch bei der Verwahrstätte geht es um Sicherheit. Dieser Ort sollte mit nicht allzu großen Anstrengungen erreichbar sein. Wenn es hart auf hart kommt, könnten Lagerstätten im Ausland politisch schwer zugänglich werden.
Physisches Gold ist m.E. auch gegenüber Goldminenaktien im Vorteil. Denn bei ihnen kommen die typischen Risiken einer Aktie hinzu: Arbeitet das Unternehmensmanagement effizient? Betreibt es eine vernünftige Förderpolitik? Zu welchen Goldpreisen hat es sich abgesichert? Gibt es standortpolitische Handicaps wie z.B. Streiks oder politische Unruhen?
Daneben kann man natürlich auf Trading-Ebene auf den kurzfristigen Preis von Gold spekulieren. Hierzu bietet die Finanzindustrie viele Produkte an, die die Wertentwicklung des Goldes 1 zu 1 nachbilden oder hebeln oder absichern, ohne die für physische Produkte höheren Aufschläge auf den Kaufpreis bezahlen zu müssen.
Was den Notenbanken recht ist, sollte uns billig sein
Und wenn man Gold gegenüber immer noch skeptisch ist, hilft vielleicht der Blick auf das Anlageverhalten der Notenbanken. Ähnlich wie Eichhörnchen Haselnüsse bunkern, bauen sie ihre Goldbestände seit 2008 wieder deutlich auf. Haben Sie selbst kein großes Vertrauen in ihre Rettungsmission? Haben sie Sorge vor den real existierenden Problemen unserer Finanzwelt?
Kopieren wir doch einfach die Anlagepolitik der Notenbanken und laben uns an den „deflationären“ Goldpreisen. Gegen einen Anteil in Gold von etwa 10 Prozent des liquiden Vermögens ist nichts einzuwenden.
Von den Notenbanken lernen, heißt für uns Anleger siegen lernen!
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.
Bildquelle: Baader Bank / Pressefoto Deutsche Bundesbank