Rohstoffe – Trendwende nach oben oder nur technische Reaktion?
Die Wirtschaftslage der asiatischen Schwellenländer ist bedenklich. Doch erstmals seit April 2015 gehen die vom Finanzdatenanbieter Sentix befragten Analysten nicht mehr von einer Fortsetzung der Lethargie aus. Niederschlag findet diese Entwicklung in dem Versuch einer Bodenfindung an den Rohstoffmärkten.
Allein auf Asien entfällt mehr als die Hälfte der weltweiten Nachfrage nach Industriemetallen. Wenn China, aber auch Anrainerstaaten die geplanten umfangreichen Infrastrukturprojekte umsetzen, dürfte zunächst das konjunktursensitive Metall Kupfer profitieren, jedoch auch seinen Einfluss auf die anderen Industriemetalle geltend machen. Den Industriemetallen kommt ohnehin eine verbesserte Angebotssituation aufgrund von Produktionskürzungen zugute. Auf dem Terminmarkt hat sich der Trend sinkender Netto-Long Positionen bei Kupfer seit Sommer umgekehrt.
Stimmungswechsel bei Rohöl?
Die Perspektive, dass der Iran ab 2016 wieder an die Energiemärkte zurückkehrt und Saudi-Arabien die neue Konkurrenz über hohe Förderquoten fernzuhalten versucht, ist zwar ein grundsätzlicher Belastungsfaktor für den Ölpreis. Für Entspannung sorgt jedoch die Einschätzung der OPEC, dass es zu einer Erholung der Nachfrage nach OPEC-Öl bei gleichzeitigem Angebotsrückgang außerhalb der OPEC kommt. So ist in den USA die Zahl aktiver Bohrlöcher seit dem Rekordhoch im Oktober 2014 mittlerweile auf ein 5-Jahrestief gefallen. Hauptsächlich betroffen ist die Produktion von Schieferöl. Tatsächlich gibt die sich nahezu auf Rekordniveau befindliche US-Rohölproduktion langsam nach.
Im Übrigen unterstützt der seit Ende Juli nicht weiter aufwertende US-Dollar die Stabilisierung der Ölpreise. Hier hilft die Einschätzung, dass die Fed mindestens vorerst auf die Leitzinswende verzichtet. Da in US-Dollar notiert, stehen beide Komponenten aus Gründen der Preisabsicherung in konträrem Verhältnis zueinander.
Am Öl-Terminmarkt hat sich die Stimmung pro Öl stabilisiert. Allerdings ist es zu früh, von einer nachhaltigen Trendwende zu sprechen. Regelrechte Ölkrisen mit massiv steigenden Energiepreisen wird es kaum mehr geben können. Denn oberhalb der Marke von 60 US-Dollar pro Barrel Brent-Öl wird es wieder attraktiv, die alternative Fördermethode „Fracking“ zu betreiben. Preise jenseits der Marke von 100 US-Dollar pro Barrel werden auf absehbare Zeit der Vergangenheit angehören. Immerhin, die Basis für eine weitere Ölpreiserholung auf 54 US-Dollar bis Jahresende ist damit gelegt.
Bodenbildung bei Rohstoffen als Signal für internationale Aktien
Eine Bodenbildung bei Industriemetallen und Rohöl wäre ein Entlastungsfaktor für Förderstaaten wie Brasilien, Russland oder Saudi-Arabien, die sich durch Umsatzeinbußen einer Verschlechterung der Staatshaushaltssituation und einem massiven Kaufkraftverlust zum Schaden der Weltkonjunktur gegenübersehen. Deren Aktienmärkte zeigen bereits zarte Stabilisierungstendenzen.
Vor diesem Hintergrund haben ebenso internationale konjunkturzyklische Aktien ersten Auftrieb erhalten, der Hoffnungen auf eine wirkliche Trendwende ihrer seit 2011 anhaltenden Underperformance gegenüber globalen Defensivaktien nährt.
Öl-Aktien – Die wiederentdeckte Branche?
Die Preiserholungsphantasien bei Rohöl verleihen überverkauften europäischen Öl- und Gas-Aktien Rückenwind. Das macht sich im Trend in einer Outperformance europäischer Rohölaktien zum Gesamtmarkt – auf Basis der Stoxx Europe Indices – seit Anfang Oktober bereits bemerkbar. Diese Branche wurde zumindest kurzfristig von Anlegern wiederentdeckt und ist im IV. Quartal bislang der Top-Performer im Sektorenvergleich (siehe Tabelle 4 im Anhang des vorliegenden Produkts)
Noch ist es zu früh, die nachhaltige Trendwende bei Rohstoffen auszurufen. Bei Umsetzung massiver Konjunkturprogramme in den Schwellenländern, dem Ausbleiben der Leitzinswende und einer weltweit anhaltenden wirtschaftsstützenden Geldpolitik sind die Chancen jedoch gut.
Aktuelle Marktlage: Der immerwährende Kampf – Geldpolitik contra Konjunkturschwäche
Die Wachstumsschwäche Chinas im Verarbeitenden Gewerbe ist ein Handicap für die Weltwirtschaft. Immerhin zeigt sich aber weiterhin der Dienstleistungssektor oberhalb der Expansion anzeigenden Schwelle.
Vor diesem industriellen Hintergrund haben sich laut ZEW Konjunkturerwartungen die Aussichten für insbesondere exportorientierte deutsche Aktien eingetrübt. Längerfristig ist der Zusammenhang zwischen ZEW Konjunkturerwartungen und DAX aber nicht zweifelsfrei festzustellen.
Angesichts des sich verstärkenden Deflationsdrucks – in der Eurozone ist die Preissteigerung zum Erliegen gekommen – wird dem liquiditätspolitischen Argument als Triebfeder für Konjunktur und Aktienmärkte zukünftig noch mehr Bedeutung zukommen. Angekündigt sind diese Maßnahmen bereits von der Bank of Japan und der EZB. Und selbst in den USA nehmen die Diskussionen zu, ob die Liquiditätsausstattung nach erfolgtem Tapering wieder „enttapert“ werden sollte. Tatsächlich mehren sich die Stimmen, die die USA nicht vor einer Wachstumsschwäche gefeit sehen. Im Zweifelsfalle wird die Konjunkturschwäche Aktien weniger schaden als die geldpolitische Dynamik hilft.
Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Atempause
Aus charttechnischer Sicht verlaufen im DAX auf dem Weg nach oben die ersten nennenswerten Widerstände bei 10.250, 10.437 und 10.652 Punkten. Darüber ist der Weg bis zur Widerstandszone um die 10.800 Punkte frei. Im Falle einer technischen Gegenreaktion wartet auf der Unterseite die erste Unterstützung bei rund 9.935 Punkten. Darunter verlaufen weitere Haltelinien zwischen 9.800 und 9.700 Punkten. Erst wenn dieser Bereich durchbrochen wird, droht Gefahr für den Aufwärtstrend.
Der Euro Stoxx 50 trifft zwischen 3.290 und 3.325 Punkten auf einen wichtigen Widerstandsbereich. Wird dieser überschritten, warten die nächsten Barrieren zwischen 3.417 und 3.473 Punkten. Im Falle einer weiteren Konsolidierung wartet die erste schwache Unterstützung bei rund 3.200 Punkten. Darunter verlaufen weitere Haltelinien bei 3.160 und um 3.110 Punkten.
Und was passiert in KW 43?
Auf Makroebene bestätigen selbst die geschönten BIP-Zahlen Chinas für das abgelaufene III. Quartal die Konjunkturverlangsamung. In den USA warten Anleger gespannt auf den Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe: Inwieweit schlägt sich z.B. in den Auftragseingänge die asiatischen Konjunkturschwäche nieder?
In der Eurozone deuten schwächere Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe auf aktuell schwieriges Konjunkturterrain hin. Diesen Impuls dürfte die EZB auf ihrer Zinssitzung zum Anlass nehmen, die Ausweitung ihrer Liquiditätsoffensive zu bekräftigen.
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Bildquelle: Baader Bank / meineprivatenfinanzen.de