Notenbanken aller Länder vereinigt Euch – Bekommt Gold eine zweite Chance?
Der beste Freund von Gold heißt Krise. Und Gold hat zurzeit viele beste Freunde: Der Russland-Konflikt schwelt weiter und das griechische Schuldendrama hat sich zwar gut versteckt, doch werden die Krisenspürhunde dort schnell wieder fündig werden. Auch die überbordende Welt-Staatsverschuldung ist kein Phänomen, das jemals verschwinden wird. Und jetzt kommt auch noch Asien hinzu. Ein Vertrauensverlust in die ungehemmte Potenz von Chinas Volkswirtschaft ist bereits eingetreten.
Im Gegensatz zu Geld ist Gold bereits knapp und wird noch knapper
Vor diesem Hintergrund betreiben die Notenbanken notgedrungen die wundersame Geldvermehrung, um über künstlich gedrückte Zinsen Schulden- und Konjunkturkrisen zu bekämpfen und Währungen zum Wohle der Exportwirtschaft abzuwerten. Jetzt ist auch China im Sündenpfuhl dieser lasterhaften Geldpolitik angekommen. Lange Zeit zeigte China mit dem Zeigefinger hämisch auf Amerika, das gezwungen war, seine Finanzwelt mit der Notenpresse ähnlich zu stabilisieren wie die Betonummantelung den schiefen Turm von Pisa. Doch mittlerweile zwingt der Finanzmarkt auch der der KP in Peking ihren Willen auf: Ohne planwirtschaftliche Bewegung bleibt die Marktwirtschaft nicht nur stehen, nein, sie fällt zurück.
Auch die chinesischen Anrainerstaaten bekommen die neue Wirtschafts-Sachlichkeit Chinas zu spüren. So hat die japanische Notenbank gar keine andere Wahl, als ihre Wirtschaft mit immer mehr billigem Geld zu stützen. Und auch die Rohstoffländer spüren die Knute der nachlassenden Nachfrage Chinas: Kanada ist in die Rezession gerutscht und gegenüber Brasiliens Haushaltsdefizit ist Griechenland ein Hort der Stabilität. Deren Notenbanken werden wissen, was zu tun ist. Ebenso muss sich niemand über eine nachlassende Unterstützung der EZB sorgen. Erst vor kurzem haben sich unsere sogenannten Währungshüter bitterlich darüber beklagt, dass die Inflation nicht in die Gänge kommt. Dann muss eben noch ein bisschen mehr Liquidität her. Wie viel? Na, stellen Sie sich einfach den Rhein bei Schneeschmelze vor. Insgesamt, steht dem Pazifik an Geld nur ein kleiner Gartenteich an Gold entgegen.
Frau Yellen braucht vielleicht eine Frisurwende, aber die Finanzwelt keine US-Leitzinswende
Sicher, steigende US-Leitzinsen wären theoretisch Gift für den Goldpreis. Für eine klare Zinswende gibt es aber praktisch keinen Grund. Man muss schon die rosarote Brille aufsetzen, um mit der amerikanischen Konjunktur zufrieden zu sein. Anziehende Leitzinsen suchen Amerikas Wirtschaft zudem mit höheren Kreditzinsen, einem teureren Dollar und damit schwächeren US-Exporten heim.
Nicht zuletzt wirkt ein starker US-Dollar wie ein Kapitalfluchtbeschleuniger aus den Schwellenländern. Die Hemmschwelle für Investitionen dort wird immer höher. Deren Zins- und Tilgungsdienst auf die mehrheitlich auf US-Dollar lautenden Kredite wäre auch deutlich erschwert. Und ein starker Dollar ist ebenso ein weiterer Drücker von Rohstoffpreisen. Er führt zu sinkenden Staatseinnahmen und schließlich einer schwachen Kaufkraft der Rohstoffländer zulasten der Weltwirtschaft. Man kann die Fed-Direktoriumsmitglieder kritisieren, aber zu Welt-Deflationsbetreibern werden sie bestimmt nicht werden.
Gold bekommt keine Jungen, Zinsanlagen sind aber auch unfruchtbar
Über das Argument, wonach Goldmünzen sich nicht vermehren, also keine laufende Rendite abwerfen, kann ich nur noch schmunzeln. Fallen etwa Zinsanlagen durch besondere Fruchtbarkeit auf? Wer spart, kann noch auf Nominalerhalt hoffen, mehr nicht. Seit Kriegsende liegt z.B. in Deutschland die Durchschnittsrendite von Staatspapieren bei über fünf Prozent. Solche paradiesischen Zustände für Sparer wird es im real existierenden Finanzsystem nie mehr geben. Ansonsten pfeift die überschuldete Euro-Finanzwelt aus dem letzten Loch. Des Finanzministers Freud, des Sparers Leid.
Die Notenbanken haben die Fluchttür zu Gold zugemacht
Das sind alles schlagende Argumente für Gold. Und trotzdem ist der Gleichlauf von Staatsverschuldung der G7-Länder und Entwicklung des Goldpreises gestört: Der Goldpreis spielt nicht mehr mit.
„Schuld“ daran ist ausgerechnet der „Geld-Adel“ der Zentralbanken. Theoretisch hätte mit der Ausweitung ihrer Liquiditätsschwemme auch der Preis der Edelmetalle steigen müssen.
Doch praktisch ist das Gegenteil passiert, weil die Notenbanken Gold an den Terminmärkten indirekt über befreundete Geschäftsbanken unterdrücken. Wenn man so wie sie die Finanzwelt konsequent mit viel heißem „Geld“ retten will, muss man den Preis der Alternativwährung „Gold“ kalt machen. Ansonsten wäre die Rettungsmission gescheitert. Und somit wird Gold keine massive Kursbefestigung wie zwischen 2008 bis 2012 erleben können, obwohl aus fundamentaler Sicht alles so danach schreit, dass man Ohropax bräuchte.
Es geht um die Kapitalschutzfunktion von Gold
Und dennoch, mich lässt die mangelnde Goldpreisdynamik kalt. Ich erinnere mich an die Aussage meines Großvaters, wonach Vermögen eigentlich nur das sei, was man entweder essen oder anfassen kann. Gold bleibt eine „anfassbare“, solide Vermögensversicherung. Wenn die Schulden-Finanzminister und die (Geld-)Politiker weiter sündigen, wird es kein Happy End geben. Historisch sind nachhaltige Verschuldungssysteme immer verschwunden wie Gänseblümchen nach Auftritt des Rasenmähers. Denn die professionelle Geldpolitik hat bislang zwar die Rasur erfolgreich verhindert. Doch den ultimativen Weg, die fehlende konjunkturelle Nachfrage nicht nur indirekt durch Aufkäufe von Anleihen, sondern direkt durch Aufkäufe von industriellen Überproduktionen zu ergänzen, kann selbst sie nicht betreten.
Gold wird dann wie immer in der Finanzgeschichte überlebt haben. Es ist einfach nicht totzukriegen: Es ist zwar ein Weichmetall, aber krisentechnisch betrachtet hart wie Granit.
Gold ist eben doch eine Alternativwährung, eine Kapitalschutzversicherung, die auch im systemischen Schadensfall nicht ausfällt. Mit Gold geht man durch dick und dünn. Im Krisenextremfall gehen die schönen Dinge des Lebens bzw. Lebensmittel für Gold immer noch über den Tresen. Versuchen Sie das dann mal mit Baumwollwährungen.
Was für Notenbanken richtig ist, kann für Anleger nicht falsch sein
Und technisch betrachtet: Wenn sich alle so einig sind, dass Gold nur fallen kann, haben wir es mit einem Kontraindikator par excellence zu tun. Vergleichen wir diese Einschätzung mit 2011. Damals gingen alle von einem Goldpreis von 2.000 US-Dollar und mehr aus. Passiert ist genau das Gegenteil. Immerhin, die Unterstützungsmarke von 1.000 US-Dollar pro Unze scheint nicht kaputtzukriegen zu sein.
Beim Gold ist es grundsätzlich wichtig zu beobachten, was die Notenbanken tun: Sie kaufen zu den von ihnen selbst gedrückten Preisen Gold auf. Da sie die Probleme der Finanzwelt am besten kennen, kann man sich einen Reim darauf machen, warum.
Die Stunde von Gold wird noch kommen. Ich bleibe Gold als einem Element des sachkapitalistischen Trios (Aktien, Immobilien, Edelmetall) treu und höre auf meinen Opa. Bei Gold zählt der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite!
Ein Beitrag von Robert Halver.
Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Bildquelle: Baader Bank / Pressefoto Deutsche Börse